Auf Abwegen. Der Shitstorm um Monika Lierhaus

Der Fall Monica Lierhaus zeigt, dass der Weg von der Akzeptanz individuellen Leidens an Behinderungen zu Euthanasiephantasien nur kurz ist.

Monica Lierhaus, wer war das noch gleich? Na, diese Sportmoderatorin, die bei der WM 2006 und bei der EM 2008 der deutschen Nationalelf das Mikro unter die Nase hielt. Die dann 2009 eine Hirnoperation hatte, bei der lebensgefährliche Komplikationen auftraten, weswegen sie vier Monate lang ins künstliche Koma versetzt wurde. Momentan steht die ehemalige »Sport­schau«-Moderatorin mal wieder im Zentrum medialer Aufmerksamkeit. Weiterlesen

Kommentar in der Jungle World # 31, 2015

Pflegestufe drei und Spaß dabei! Ein kritischer Blick auf den Selbstbestimmungsbegriff der Behindertenbewegung

Im Juli 2013 zog die „Disability and Mad Pride Parade“ durch Berlin-Kreuzberg. „Behindert und verrückt feiern“, „Norm mich nicht voll“ oder „Pflegestufe 3 und Spaß dabei“ konnte man auf den Transparenten lesen. Rund 1.000 bis 1.500 Menschen, sichtbar und unsichtbar von Behinderung und psychiatrischen Diagnosen betroffen, feierten das „Nicht-Normal-Sein“ und erteilten dem rein medizinisch und defizitorientierten Blick auf Körper und Psyche eine radikal-glitzernde Absage: „Stell Dir vor, jemand entscheidet über Deinen Kopf, wo Du wohnst, oder wohin Du alleine gehen darfst. Stell Dir vor, jemand bestimmt, was Du isst, oder wen Du triffst. Unvorstellbar? Für manche von uns leider nicht!“, stand auf den Einladungsplakaten.
Hauptanliegen der Pride-Parade, die auch in der Tradition der emanzipatorischen Krüppel- und Behindertenbewegung steht, ist die Forderung nach einem selbstbestimmten Leben. „Independent Living“, das Kernkonzept der amerikanischen und britischen Behindertenbewegung, entwickelte sich in den frühen 80er Jahren auch in Deutschland zu einer der wichtigsten Leitlinien in der Behindertenpolitik.
Einer der deutschen Aktivisten der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung, Horst Frehe, fasst dies so zusammen: „Selbstbestimmt leben heißt, Kontrolle über das eigene Leben zu haben, basierend auf der Wahlmöglichkeit zwischen akzeptablen Alternativen, die die Abhängigkeit von den Entscheidungen anderer bei der Bewältigung des Alltags minimieren. (…) Unabhängigkeit (‚Independence‘) ist ein relatives Konzept, das jeder persönlich für sich bestimmen muß. Weiterlesen

GID – GENethischer Informationsdienst, Zeitschrift des GENethischen Netzwerks, Februar 2014

Es sollte auch Spaß machen

Birgit Rothenberg, promovierte Diplom-Pädagogin, Beraterin für behinderte Studierende an der Uni Dortmund und Lehrende im Bereich Disability Studies, Vorstandsmitglied des Dortmunder Vereins „MOBILE – Selbstbestimmtes Leben Behinderter e.V.“ sowie Moderatorin des Dortmunder behindertenpolitischen „Aktionskreises“ erzählt von den Anfängen der Behindertenbewegung in Westdeutschland. Weiterlesen

Interview Mondkalb – Zeitung für das Organisierte Gebrechen, #1, 2012

Von der Fürsorge zur Selbstbestimmung. Wie behinderte Menschen in der BRD undankbar wurden

Weil sie den Anblick einer Gruppe behinderter Menschen an ihrem Urlaubsort hatte ertragen müssen, hatte eine Frau gegen ihren Reiseveranstalter geklagt. Mit Erfolg: Das Frankfurter Landgericht sprach ihr im Februar 1980 Schadensersatz zu. Gemeinsam mit den Behinderten den Speisesaal benutzen zu müssen sei unzumutbar, heißt es in der Urteilsbegründung: „Es ist nicht zu verkennen, dass eine Gruppe von Schwerbehinderten bei empfindsamen Menschen eine Beeinträchtigung des Urlaubsgenusses darstellen kann.“ Weiterlesen
Mondkalb – Zeitung des Organisierten Gebrechens, #1 2012

Wir klagen an

1981, vor 30 Jahren, hatte die UNO das „Internationale Jahr der Behinderten“ ausgerufen. In Deutschland wurde es unter das Motto „Einander verstehen – miteinander leben“ gestellt. Ein Hohn in den Augen vieler Menschen mit Behinderung, die in mehrfacher Hinsicht aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen waren. Es begann ein Jahr des Protests, das mit einer wegweisenden Veranstaltung, dem „Krüppeltribunal“, endete.

13. Dezember 1981 in Dortmund. Im evangelischen Schalomgemeindehaus sitzen rund 400 Menschen dicht gedrängt vor einer Bühne, unter ihnen viele Rollstuhlfahrer, an einigen Stühlen lehnen Krücken. Es ist laut. Immer wieder stehen Menschen auf, es gibt Zwischenrufe. „Ja genau, so ist es! Aber bei uns im Heim ist es noch viel schlimmer!“ Empörung liegt in der Luft. Auf dem Podium sitzen Frauen und Männer mit und ohne Behinderung an einem Tisch, hinter ihnen Transparente. „Rehabilitation spart Rente und Sozialhilfe“ steht auf dem einen, „Endstation Werkstatt“ auf einem anderen. Darüber hängt ein großes Plakat: Krüppeltribunal 1981. MENSCHEN_1.12_Krueppeltribunal

Menschen, #1/2012

Mal sehen wohin die Reise geht

„Einen Moment bitte, ich brauche absolute Ruhe“ sagt Reinhard Fißler. Er singt eine kurze Tonfolge ins Mikrofon, dann spricht er etwas hinein. Reinhard Fißler komponiert. Der ehemalige Sänger der Band Stern Combo Meißen arbeitet an einem neuen Song. Morgen will er eine erste Version im Studio aufnehmen, in Meißen, zusammen mit alten Musikerkollegen. „Da werd ich wohl noch bis Mitternacht dran arbeiten, ich muss mir meine Kräfte ein bisschen einteilen“, sagt Fißler. Weiterlesen

Mondkalb – Zeitung für das Organisierte Gebrechen, #1 2011

Eine Karte für alles, was Räder hat

Ausgehen, Städte besichtigen, Freunde in Cafés treffen – RollstuhlfahrerInnen müssen das gut vorplanen. Sich zu vergewissern, ob Orte zugänglich sind, ist oft nervenaufreibend und schwierig. Die „Sozialhelden“, eine Berliner Gruppe sozial engagierter junger Menschen, hat für dieses Problem eine einfache Lösung gefunden. Vorausgesetzt, man verfügt über einen Online- Zugang oder noch besser ein Iphone von Apple. Denn die Webseite http://www.wheelmap.org soll eigentlich eine mobile Orientierungshilfe sein: Auf Online- Stadtplänen zeigt Wheelmap Infos über die Rollstuhlzugänglichkeit von Orten, die von den Nutzer- Innen selbst aktualisiert werden können. Einer der Köpfe hinter Wheelmap ist Raúl Krauthausen, Mitgründer des Vereins „Sozialhelden“. Als Rollstuhlfahrer steht er selbst täglich vor dem Problem, in Gebäude, Busse oder Bahnen nicht hineinzukommen. Weiterlesen
Mondkalb – Zeitung des Organisierten Gebrechens, #1 2011