Ignoriert: Behinderte Menschen in der Pandemie

Risikogruppen sollen geschützt werden – so lautet eines der zentralen Ziele im Kampf gegen das Coronavirus. In Reden und auf Pressekonferenzen werden die „Vulnerablen“ gerne bemüht. Fakt ist aber: Zu großen Teilen sind sie weder ausreichend geschützt noch an den Entscheidungen über Schutzstrategien beteiligt. Das gilt besonders für behinderte Menschen. Der Widerspruch zwischen einem Diskurs der Inklusion und „Fürsorge“ auf der einen Seite sowie faktischer Exklusion auf der anderen Seite ist symptomatisch für den Umgang mit Behinderung in Deutschland – und er offenbart sich in besonderer Weise in der Pandemie: Es wird über behinderte Menschen statt mit ihnen geredet. Sie werden mit zahllosen bürokratischen Hürden konfrontiert. Und sie werden – statt inmitten der Gesellschaft – abgesondert in Einrichtungen und Heimen verortet. Weiterlesen

Blätter für deutsche und internationale Politik, #4 2021

Blätter Podcast: Komplett vergessen

Corona und kein Ende in Sicht – mit steigenden Infektionszahlen füllen sich auch wieder die Intensivstationen. Welche Auswirkungen das auf behinderte Menschen haben könnte, die in der Pandemie zu lange ungeschützt waren und ignoriert wurden, erläutert die Psychologin Rebecca Maskos. Der Anthropologe Felix Girke analysiert die Lage im vom militärischen Staatsterror heimgesuchten Myanmar. Blätter«-Redakteur Steffen Vogel beschreibt die heutige Identitätspolitik als überfällige Emanzipationsbewegung von Minderheiten. Und der Publizist Fabian Scheidler spricht darüber, wie uns eine technokratische Weltsicht in die planetarische Krise geführt hat. Moderation: Helena Schmidt (detektor.fm) und Annett Mängel (»Blätter«).

Blätter Podcast auf Detektor.fm, April 2021 Nachhören

Vortrag: Ist die Risikogruppe ein Risikofaktor? Über Ausgrenzungen mit und ohne Corona

Die Corona-Pandemie verschärft ohnehin ausgrenzende gesellschaftliche Verhältnisse. Behinderte Menschen, die auch vorher schon als problematische „Andere“ galten, werden in der Pandemie zur „Risikogruppe“, zu den „Alten und Schwachen“. Deren Existenz hat eine reale, materielle Basis: Viele behinderte und alte Menschen sind durch Covid19 weit mehr mit Tod und Langzeitfolgen konfrontiert als andere. Gleichzeitig wird die „Risikogruppe“ aber auch durch ableistische und sozialdarwinistische Zuschreibungen konstruiert, die tief in unserem Wirtschaftssystem verwurzelt sind. Rebecca Maskos und Florian Grams gehen in ihrem Input der Geschichte und Aktualität dieser Zuschreibungen nach. Außerdem soll es viel Raum für die Diskussion geben.
In Zusammenarbeit mit der GEW Region Hannover. Auf youtube anschauen

#ZeroCovid Hannover, 23. März 2021

Warum wir nicht schweigen sollten, wenn unser Lebenswert diskutiert wird

Manche finden, Behinderung und Krankheit, das bedeutet „schlechte Lebensqualität“. Und je mehr Pflege und Unterstützung man braucht, desto mehr schwindet „die Würde“ dahin. Solche Vorstellungen begegnen uns vielfach. Behinderte Menschen, die mit Assistenz und guter medizinischer Versorgung selbstbestimmt leben, können darüber oft nur den Kopf schütteln. Ja, manche von uns können nicht allein auf die Toilette, „hängen an Schläuchen“ eines Atemgeräts, brauchen Rollstühle oder Rollatoren. Aber fehlt uns deshalb die Würde? Viele sagen dazu: Nein. „Würdelos“ wäre es vielleicht, einer fremdbestimmten Pflege in Heimen ausgeliefert zu sein, keine passenden Hilfsmittel zu bekommen, oder wenn Schmerzmittel oder andere Medikamente nicht helfen. Weiterlesen

Die Neue Norm, 11. März 2021

Ableismus ist mehr als Behindertenfeindlichkeit

„Wir forschen selbst“, heißt das Motto der Disability Studies. Wo sie früher Objekte der Wissenschaft waren, nehmen behinderte Menschen die Sache jetzt in die Hand und untersuchen die Gesellschaft aus ihrer Perspektive. Rebecca Maskos ist Wissenschaftlerin und freie Journalistin. Sie arbeitet daran, die Disability Studies an deutschen Hochschulen zu etablieren. In diesem neuen Forschungszweig geht es darum, das Thema Behinderung aus der Perspektive behinderter Menschen zu betrachten. Welchen Begriff von Behinderung hat die Gesellschaft? Wo geschieht Diskriminierung täglich? Wie ist das Verhältnis von Leistungsgesellschaft und Inklusion? Nachhören

Podcast „echt behindert!“, Nr. 15, Deutsche Welle, 4. März 2021
Transkript des Podcasts

Witze reißen

Darf man über Minderheiten Witze machen? Was darf Satire? Fragen wie diese fanden wir als Redakteurinnen und Redakteure des leider mittlerweile ein­gestellten Mondkalb (Untertitel: »Zeitschrift des Organisierten Gebrechens«) eigentlich sterbenslangweilig. Davor drücken konnten wir uns aber dennoch nicht. Schließlich stellten wir in unserer Rubrik »Opferecke« respektlose Fragen wie: Gibt es unter Pygmäen Kleinwüchsige? Können Gehörlose auch bei bewölktem Himmel beten? Können Menschen einen Behindertenausweis beantragen, denen Fett abgesaugt wurde? Tja, durften wir das? Klar, wir schon! Die meisten von uns waren ja auch selbst behindert. Im Fall von Mondkalb scheint die Sache klar. Kein Zufall, dass die Frage »Darf man Behindertenwitze machen?« normalerweise aus dem Mund von Leuten kommt, die sich selbst als nichtbehindert verstehen. Die bange Sorge um das »Dürfen« verweist darauf, dass es sich hier um vermintes Terrain handelt, vor allem für Angehörige der Mehrheitsgesellschaft. Weiterlesen

Jungle World, #52 2020

Er hat den Körperkonsens in Frage gestellt

Nachruf: Der Intellektuelle Peter Radtke brach nicht nur auf der Bühne Tabus. Sein Einspruch wird fehlen

Peter Radtke war gerade ein einhalb, da bekam seine Mutter Besuch von der staatlichen Gesundheitsbehörde. Ob man den Kleinen mit den zerbrechlichen Knochen nicht in ein Kurheim geben wollte. Es war 1944 in Freiburg. Die Mutter, gelernte Krankenschwester, wusste, wie es zugeht. Das Kind in die Kur zu schicken, das bedeutet Euthanasie. Sie weigerte sich. Ein Jahr später war die Nazi-Zeit um, Radtke überlebte, dank der furchtlosen Mutter. Doch das Szenario blieb: Von der Gesellschaft abgelehnt, im Leben bedroht zu sein. „Du musst deinen Kopf einsetzen, sonst kommst Du in ein Heim!“ schärfte ihm die Mutter ein. Weiterlesen

Der Freitag, #50 2020

Beitrag im Multimedia-Special zu PID auf „brigitte.de“ von Annalena Schieber

Ein behindertes Kind zu haben, können oder wollen sich viele nicht vorstellen. Angebote von Diagnoseverfahren, um Behinderungen frühzeitig zu erkennen, nehmen immer mehr zu. Im vergangenen Jahr wurde etwa der Bluttest auf Trisomie zur Kassenleistung erklärt. Aber können wir „Gesunde“ überhaupt beurteilen, wie lebenswert ein Leben mit Behinderung ist? Haben wir auch nur die leiseste Ahnung, wie sich ein Alltag mit Glasknochen, Trisomie oder einer Muskelschwäche anfühlt? „Nein“, sagt Rebecca Maskos. „In der Medizin wird mit Bildern von Behinderung gearbeitet, die der Lebensrealität absolut nicht entsprechen. Eine Diagnose muss nichts darüber aussagen, ob das Kind an der Behinderung leiden wird. Im Video erklärt die 45-Jährige, was sie genau damit meint.
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Brigitte.de, November 2020

Wir haben als Ganzes Corona

Ganz am Anfang wurde ja gesagt, dass sich 70 Prozent der Bevölkerung anstecken müssen, bis die Pandemie vorbei ist. Und sie sich auch anstecken werden. Ich hab mir gedacht: Wie soll ich es denn schaffen, ausgerechnet zu den paar Glückskeksen zu gehören, an denen Corona vorbeigeht?
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taz Berlin, 1.11.2020, Special „Risikogruppen und die Coronakrise“