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Leidmedien – Menschen mit Behinderung in den Medien
Vortrag beim Zentrum für Disability Studies, Universität Hamburg, Ringvorlesung Disability Studies, 15.4.2013
Liebe Leute vom ZeDiS, liebe Zuschauer_innen und Zuhörer_innen,
vielen herzlichen Dank für die Einladung zur Ringvorlesung. Ich freue mich, Ihnen und Euch das Projekt Leidmedien.de vorstellen zu können – eine Webseite des Berliner Vereins Sozialhelden e.V. Die Idee und Initiative zu Leidmedien.de hatte Sozialhelden-Vorstand Raul Krauthausen, selbst Rollstuhlfahrer und oft Interviewpartner für verschiedene Medien. „Wieso behaupten die Medien eigentlich ständig, dass wir Menschen mit Behinderung ‚leiden‘, ‚tapfer unser Schicksal meistern‘? Oder sind erstaunt, dass wir ‚trotz der Behinderung“ ein ’normales Leben’ führen? Wenn die Medien soviel beeinflussen, dann stellt sich doch die Frage, wie wir sie verändern können“, sagt Krauthausen. Leidmedien.de soll deshalb typische Sprachklischees und stereotype Medienrepräsentationen von Behinderung in Frage stellen und Alternativen vorschlagen. Die Webseite ist ein praxisnaher Online-Ratgeber, der vor allem Journalist_innen und Medienschaffenden Tipps geben soll, wie sie weniger einseitig und diskriminierend über behinderte Menschen berichten können. Als Projektleiterin und Redakteurin habe ich Leidmedien.de mit auf den Weg gebracht und bin nun beratend für das Leidmedien-Team, bestehend aus der jetzigen Projektleiterin Lili Masuhr, Andi Weiland und Raul Krauthausen, tätig. Ich werde im ersten Teil des Vortrags von Leidmedien.de und seinen Hintergründen erzählen und dann näher darauf eingehen, warum sich Klischees in der Darstellung behinderter Menschen immer noch halten und welche Funktionen sie möglicherweise erfüllen (sowohl in non-fiktionalen als auch in fiktionalen Formaten). Dazu „springe“ ich jetzt gleich mal in eine erste Klischeedarstellung „rein“.
„Bist Du behindert oder was?“ Behinderung, Ableism und souveräne Bürger_innen
Vortrag im Rahmen der Ringvorlesung „Jenseits der Geschlechtergrenzen“ der AG Queer Studies und der Ringvorlesung „Behinderung ohne Behinderte!? Perspektiven der Disability Studies“, Universität Hamburg, 14.12.2011
In den letzten Jahren bin ich beruflich bedingt viel Zug gefahren, und da lernt man ja immer wieder
für’s Leben. Mittlerweile kommen Leute wie ich, die einen Rollstuhl benutzen, ja dank
Barrierefreiheit sogar in Regionalzüge rein – also jene Züge, die früher noch einen unbezwingbar
steilen Einstieg hatten. Mittlerweile sitzt Rollifahrer_in im Regionalexpress im Fahrradabteil, gerne
zwischen Sonntagsauflüglern oder Großfamilien mit Kinderwagen. Neulich fand ich mich in einer
Horde halbwüchsiger grölender Fußballfans wieder, die zu einem Auswärtsspiel von Hannover 96
nach Bremen fuhren. Nach dem der erste Kasten „Herrenhäuser“ auf Ex ausgetrunken, die Bremer
Fans ausgiebig als „stinkend“ gebrandmarkt und die anderen Mitreisenden ohne Rollstuhl entnervt
in die anderen Abteile abgewandert waren, fingen sie an sich selbst zu dissen. „Ey Alter, Du bist
doch total behindert“, „Ey Du Spast“, und so weiter, und so fort. Am Ende der Fahrt beschwerte ich
mich halb im Scherz, dass 1. sie selbst ganz schön stinken würden, 2. sie mal schön aufpassen
sollten, weil Werder Bremen ja nun mal eindeutig das Team mit mehr Klasse sei und 3. sie doch
mal aufhören sollten, sich in meiner Anwesenheit ständig als „behindert“ zu beschimpfen. Einer
von ihnen schaute mich entgeistert-aggressiv an und sagte: „Ja, aber das sagt man jetzt so! Das
hat ja nichts mit Ihnen zu tun!“
Der Tag an dem mein Rollstuhl fortging
Es war stürmisch. Der Herbst wollte sich nicht länger verstecken. Höhnisch rann der Regen in senkrechten Strömen die Scheiben des ICEs herunter. Meine Laune war dementsprechend finster. Gerade hatte ich einen von diesen miesen Filterkaffees erstanden, mit denen die Bahn ihre Kunden für knapp drei Euro zu demütigen pflegt. Schräg gegenüber war so eine Businesstante schlafend mit dem Kopf auf die Zugtischplatte gesunken. Ich stellte mir die Melange ihres zerlaufenen Make-Ups auf der Laptoptastatur vor. Weiterlesen
Mondkalb – Zeitung des Organisierten Gebrechens, #1 2011
Lachen über das Andere. Claudia Gottwald unterzieht den Behindertenwitz einer historischen Analyse
Mondkalb – Zeitung für das Organisierte Gebrechen, #1 2011
Was heißt Ableism? Überlegungen zu Behinderung und bürgerlicher Gesellschaft
Arranca! # 43 Bodycheck und linker Haken, Dezember 2010
FAQ – Frequently Asked Questions
Ich hatte dich gar nicht bemerkt. Wie du da am Nebentisch gesessen hast und mich „schon seit Stunden beobachtet“ hattest. So sagtest du jedenfalls, als du an meinen Tisch kamst. Inga, Theo und ich wollten eigentlich gleich gehen. Es war spät geworden, wir waren der letzte Rest der Gruppe, der nach dem Vortrag noch ins Morgenrot gegangen war. Das Morgenrot ist eine linke Kneipe im Prenzlauer Berg. Studis und linke Intellektuelle trinken hier ihr Bier, seit einiger Zeit kommen auch immer mehr Touristen auf der Suche nach einer „authentischen Berliner Szenekneipe“.
Du warst so Anfang oder Mitte Dreißig, dunkle Haare, Geheimratsecken. Ob du mich mal etwas Persönliches fragen dürftest, fragtest du mich. Ich ahnte, worauf das hinauslief. Nach „etwas Persönlichem“ werde ich oft gefragt. Selten will dann jemand wissen, ob wir uns zufällig schon mal getroffen hätten oder wo ich denn meinen coolen Mantel herhabe. Mit dem „Persönlichen“ ist immer das Offensichtliche gemeint: Meine Behinderung. Nur darüber wollen die Leute mehr wissen. Weiterlesen
Mondkalb – Zeitung für das Organisierte Gebrechen, #1 2010
Schwein gehabt. Als „Risikopatientin“ unterwegs mit H1N1
Die Maske schloss Nase und Mund gut ab. Darunter war es zu warm. Das Atmen unter der Maske fiel mir schwer, es roch nach Kunststoff. Sehen konnte ich aber noch ganz gut. Zum Beispiel den leicht verängstigten Gesichtsausdruck der Krankenhaussekretärin, die mir die Maske gerade in die Hand gedrückt hatte, begleitet von der Aufforderung, sie sofort anzulegen. Erst danach fragte sie mich nach meinem Namen und meiner Adresse. Verständlich, schließlich hätte ich ihr über die Atemluft meine H1N1-Viren übertragen können. Weiterlesen
Mondkalb – Zeitung des Organisierten Gebrechens, #1 2010
Auf ein Beck’s
Erstmal ein Bier holen am Deich. Es ist einer dieser ersten lauen Sommerabende. Bremerinnen wie mich zieht es dann an den Osterdeich. Dort kann man sich von den letzten Strahlen der untergehenden Sonne wärmen lassen. Dabei den Hippies beim Bongospielen zuhören und sich vor einem vorbeifliegenden Fußball der Halbwüchsigen aus dem Viertel wegducken. Tausende Bremer entspannen im Sommer direkt an der Weser. Und kurz davor holt man sich noch ein Becks beim Kiosk am Ende des Sielwalls, in der
kleinen Hütte, die direkt am Deich steht, komplett in den Werder-Vereinsfarben gehalten.
Ich parke meinen Mini-Trac vor dem Kiosk, trenne ihn von meinem Rolli, den ich an diese kleine elektrische Zugmaschine angekoppelt hatte. Nachdem ich meine Becks-Bestellung vorgebracht und ihm zwei Euro auf den Tresen gelegt habe, spannt sich ein breites Grinsen über das Gesicht des Kioskbesitzers. “Nein, behalten Sie das Geld”, sagt der Kioskmann in breitem osteuropäischen Akzent. Er klopft sich auf seine Brust. “Kommt von Herzen. Trinken Sie einen auf mich!” Weiterlesen
Mondkalb – Zeitung für das Organisierte Gebrechen, #2 2008