Witze reißen

Darf man über Minderheiten Witze machen? Was darf Satire? Fragen wie diese fanden wir als Redakteurinnen und Redakteure des leider mittlerweile ein­gestellten Mondkalb (Untertitel: »Zeitschrift des Organisierten Gebrechens«) eigentlich sterbenslangweilig. Davor drücken konnten wir uns aber dennoch nicht. Schließlich stellten wir in unserer Rubrik »Opferecke« respektlose Fragen wie: Gibt es unter Pygmäen Kleinwüchsige? Können Gehörlose auch bei bewölktem Himmel beten? Können Menschen einen Behindertenausweis beantragen, denen Fett abgesaugt wurde? Tja, durften wir das? Klar, wir schon! Die meisten von uns waren ja auch selbst behindert. Im Fall von Mondkalb scheint die Sache klar. Kein Zufall, dass die Frage »Darf man Behindertenwitze machen?« normalerweise aus dem Mund von Leuten kommt, die sich selbst als nichtbehindert verstehen. Die bange Sorge um das »Dürfen« verweist darauf, dass es sich hier um vermintes Terrain handelt, vor allem für Angehörige der Mehrheitsgesellschaft. Weiterlesen

Jungle World, #52 2020

Er hat den Körperkonsens in Frage gestellt

Nachruf: Der Intellektuelle Peter Radtke brach nicht nur auf der Bühne Tabus. Sein Einspruch wird fehlen

Peter Radtke war gerade ein einhalb, da bekam seine Mutter Besuch von der staatlichen Gesundheitsbehörde. Ob man den Kleinen mit den zerbrechlichen Knochen nicht in ein Kurheim geben wollte. Es war 1944 in Freiburg. Die Mutter, gelernte Krankenschwester, wusste, wie es zugeht. Das Kind in die Kur zu schicken, das bedeutet Euthanasie. Sie weigerte sich. Ein Jahr später war die Nazi-Zeit um, Radtke überlebte, dank der furchtlosen Mutter. Doch das Szenario blieb: Von der Gesellschaft abgelehnt, im Leben bedroht zu sein. „Du musst deinen Kopf einsetzen, sonst kommst Du in ein Heim!“ schärfte ihm die Mutter ein. Weiterlesen

Der Freitag, #50 2020

Beitrag im Multimedia-Special zu PID auf „brigitte.de“ von Annalena Schieber

Ein behindertes Kind zu haben, können oder wollen sich viele nicht vorstellen. Angebote von Diagnoseverfahren, um Behinderungen frühzeitig zu erkennen, nehmen immer mehr zu. Im vergangenen Jahr wurde etwa der Bluttest auf Trisomie zur Kassenleistung erklärt. Aber können wir „Gesunde“ überhaupt beurteilen, wie lebenswert ein Leben mit Behinderung ist? Haben wir auch nur die leiseste Ahnung, wie sich ein Alltag mit Glasknochen, Trisomie oder einer Muskelschwäche anfühlt? „Nein“, sagt Rebecca Maskos. „In der Medizin wird mit Bildern von Behinderung gearbeitet, die der Lebensrealität absolut nicht entsprechen. Eine Diagnose muss nichts darüber aussagen, ob das Kind an der Behinderung leiden wird. Im Video erklärt die 45-Jährige, was sie genau damit meint.
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Brigitte.de, November 2020

Wir haben als Ganzes Corona

Ganz am Anfang wurde ja gesagt, dass sich 70 Prozent der Bevölkerung anstecken müssen, bis die Pandemie vorbei ist. Und sie sich auch anstecken werden. Ich hab mir gedacht: Wie soll ich es denn schaffen, ausgerechnet zu den paar Glückskeksen zu gehören, an denen Corona vorbeigeht?
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taz Berlin, 1.11.2020, Special „Risikogruppen und die Coronakrise“

Warum Ableismus Nichtbehinderten hilft, sich „normal“ zu fühlen

Able- was? Schon wieder so ein neues fancy word auf den Social-Media-Timelines? Ableismus und sein englischsprachiger Ursprungsbegriff ableism leiten sich ab vom englischen Begriff ability, Fähigkeit. Entstanden in der englischsprachigen Behindertenbewegung, wird der Begriff erst seit etwa zehn Jahren auch in Deutschland genutzt. Weiterlesen

Die Neue Norm, Sozialhelden e.V.

Behinderung und Arbeit, das passt für viele nicht zusammen.

„Sagen Sie, Ihr Auto is ja tagsüber nie da, wie kommt denn dat?“, fragt meine ältere Nachbarin neugierig. „Na, ich bin bei der Arbeit“, entgegne ich. „Wat, Sie arbeiten? Dit hätt ick ja nich jedacht!“, kräht sie ungläubig zurück. Es ist nicht die erste überraschte Reaktion auf die Tatsache, dass ich einen Job habe. Weiterlesen

Faktor A, Bundesagentur für Arbeit

Crip Camp – Sommer der Krüppelbewegung

Die Netflix-Dokumentation „Crip Camp“ nimmt uns mit zu den Wurzeln der US-Amerikanischen Behindertenbewegung im Jahr 1971. Wir lernen Aktivist*innen wie Judy Heumann, Denise Sherer Jacobson und Jim LeBrecht kennen, werden Zeug*innen von Protestaktionen, die bis dahin undenkbar schienen. Weiterlesen

aktion-mensch.de Hintergrundwissen

#AbleismTellsMe: Behinderte Menschen teilen Diskriminierungserfahrungen

Es passiert alltäglich und überall. In der Familie, unter Freund*innen, im Job, auf der Party und im Club. Normative und stereotype Bilder von Behinderung und Nichtbehinderung werden uns um die Ohren gehauen. Wir werden mal für inkompetent, bedauernswert, leidend und hilflos, mal für bewundernswert und übermenschlich gehalten. Auf Twitter tauschen sich derzeit behinderte Menschen über ihre Erfahrungen mit Diskriminierung unter dem Hashtag #AbleismTellsMe aus. Weiterlesen

Edition F, 6. September 2020

Hört auf, mich anzuatmen!

Was glotzen die alle so, denke ich. Ob die Leute jetzt wie sonst auch wegen meines Rollstuhls glotzen, wegen meiner 90 Zentimeter Gesamtkörperlänge oder wegen der Maske – keine Ahnung. Ist mir auch egal. Ohne die Maske gehe ich nicht mehr vor die Tür. Am Anfang passte sie noch schön ins Bild: »Rollstuhl, das ist vielleicht irgendwie ansteckend, da muss man sowieso auf der Hut sein, und jetzt trägt die auch noch Maske.« Weiterlesen

Jungle World, #20, „Disko“

Ein Feriencamp als Utopie: Netflix-Doku „Sommer der Krüppelbewegung“

Liebe, Partys, Politik: In Camp Jened genossen Jugendliche mit Behinderung um 1970 dieselben Freiheiten wie ihre Altersgenossen. Von ihrem Kampf um Bürgerrechte in den USA erzählt die Netflix-Dokumentation „Sommer der Krüppelbewegung“. Das scheinbare Nischenthema Behinderung im Film rückt in den Mainstream: Keine Geringeren als Barack und Michelle Obama, der US-Präsident a.D. und die ehemalige First Lady haben die Dokumentation „Der Sommer der Krüppelbewegung“ (Originaltitel: „Crip Camp“) produziert, die jetzt auf Netflix zu sehen ist.
Gespräch mit Andreas Müller. Nachhören

Deutschlandfunkkultur, 23. April 2020