Archiv der Kategorie: Bioethik Kritik
Sargau ist Irsee.
Kai Wessels „Nebel im August“ erzählt als erster Spielfilm vom nationalsozialistischen „Euthanasie“-Programm.
Erst werden ihm die Haare geschoren. Dann gibt es ein Porträtfoto für die Akte. Verschmitzt, wütend und glatzköpfig schaut Ernst Lossa, 13 Jahre alt, am Anfang in die Kamera des Films Nebel im August. Er wird eingewiesen in die Kinderfachabteilung der Heil- und Pflegeanstalt Sargau im Allgäu. Diagnose: „asozialer Psychopath“. Der Film von Regisseur Kai Wessel begleitet Lossas Zeit in der Anstalt bis zur Ermordung im Rahmen des Tötungsprogramms der Nationalsozialisten. Rund 300.000 Kinder und Erwachsene brachten Ärzte in der NS-Zeit um, weil sie ihnen zu behindert, zu sehr psychisch auffällig oder zu „asozial“ waren. Weiterlesen
Der Freitag, #10, 2017
Sprache und Behinderung historisch und aktuell – Radio Corax
Am 27. Januar 2017, dem Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus, gedachte der Bundestag den Opfern der NS-„Euthanasie“. Schon das Wort NS-„Euthanasie“ zeigt: Wir setzen Anführungszeichen – aber wir nutzen die Sprache der Täter_innen. Wir sprachen mit der Wissentschaftlerin und Aktivistin der Behindertenbewegung Rebecca Maskos über die Herausforderung, historische Sprache über Behinderung nicht zu reproduzieren und Begrifflichkeiten zu hinterfragen. Letzteres betrifft nicht nur historische Sprache, auch heute ist das Sprechen über behinderte Menschen geprägt von falschen Zuschreibungen. Was gilt es zu hinterfragen und zu ändern? Zu Beginn gibt Rebecca Maskos eine persönliche Einschätzung der Gedenkveranstaltung im Bundestag am 27.Januar 2017. Nachhören
Interview Radio Corax, 3.2.2017
Anonyme „Euthanasie“-Opfer
Rund 300.000 Menschen mit Behinderungen oder psychiatrischen Diagnosen wurden zwischen 1939 und 1945 von den Nazis ermordet. Die Namen der Opfer durften aus datenschutzrechtlichen Bedenken bisher nicht genannt werden. Das ändert sich nun. Weiterlesen
„Menschen – das Magazin“, #4 2016
„Meine Großtante war ein Tabuthema“
Es gab da diese Großtante, die soll „psychisch krank“ gewesen sein. Lange Zeit kannte die 64-jährige Kunsttherapeutin Barbara Stellbrink-Kesy nur dieses Gerücht. Dass ihre Großtante Irmgard Heiss 1944 Opfer der NS-Euthanasie geworden war, erfuhr sie erst Ende der Neunziger Jahre. Ein Tabuthema, über das in der Detmolder Familie kaum gesprochen wurde. Irmgard galt den NS-Ärzten als „asozial“. Weiterlesen
„Menschen – das Magazin“, Online Ausgabe, #4 2016
„Der Mord an der Uroma hat unsere Familie geprägt“
„Meine Uroma ist ein Vorzeige-Opfer“ sagt Andreas Hechler lächelnd. Emilie Rau wurde als „psychisch Kranke“ 1941 in der Gaskammer von Hadamar ermordet. Im Gegensatz zu vielen anderen Opfern ist über ihre Geschichte viel bekannt, sie wird in pädagogischen und wissenschaftlichen Materialien oft zitiert. Schließlich hat ihre Tochter, Marie Hechler, die Großmutter von Andreas, Zeit ihres Lebens um das öffentliche Andenken an ihre Mutter gekämpft. In einem Großteil von Andreas Hechlers Familie war der Mord an der Urgroßmutter deshalb kein Tabu, anders als in vielen anderen Familien. Die Folgen für die Familie sind dennoch weitreichend, wie er im folgenden Interview erzählt.
„Menschen – das Magazin“, Online Ausgabe, #4 2016
Einer vertrage der anderen Last
Erzählmuster: Warum müssen Menschen mit Behinderungen im Kino immer nur sterben wollen?
Mit Ein ganzes halbes Jahr kommt nun ein Film in die Kinos, der eine regelmäßig wiederkehrende Geschichte aktualisiert: Ein querschnittsgelähmter Mensch meint, es sei besser, tot zu sein als behindert, und bringt deshalb andere dazu, ihm beim Selbstmord zu helfen. Basierend auf dem Bestseller von Jojo Moyes (Originaltitel Me before you) sorgt die Romanze zwischen Pflegekraft Louisa Clark und dem querschnittsgelähmten Will Traynor unter Menschen mit Behinderungen für Ärger. Denn der frisch verliebte Millionär Traynor bekommt am Ende seinen Wunsch erfüllt: Sterbehilfe in der Schweiz.
Freitag, #25/16 Weiterlesen
Gespräch: Ein ganzes halbes Jahr – gefühlvolles Drama oder „Disability Death Porn“?
Bestsellerautorin Jojo Moyes war von der Kritik an der Verfilmung ihres Buchs „Ein ganzes halbes Jahr“ angeblich überrascht. Dabei bedient die Story um einen querschnittsgelähmten Millionär, der Erlösung in der Sterbehilfe findet, ein bekanntes Narrativ.
DeutschlandradioKultur, Kompressor, 22.6.2016
Gedenkstätten-Besuch im Rollstuhl – Barrieren-Reportage aus der Gedenkstätte für die Opfer der „Euthanasie“-Morde in Brandenburg/Havel
DeutschlandradioKultur, Studio 9, 13.6.2016 Manuskript lesen
Ein Stück Freiheit
Eine Willkommenskultur für Abhängigkeit von anderen ließe die Rufe nach aktiver Sterbehilfe leiser werden.
Wenn wir schon alle sterben müssen, dann bitte in Würde. So könnte man den Konsens der Deutschen zum Thema Tod und Sterben zusammenfassen. Was aber genau diese Würde sein soll bleibt nebulös. Manche wollen „nicht an Apparaten hängen“, nicht „vor sich hin vegetieren“, möglicherweise noch „an Schläuchen“. Anderen reicht es auch schon „tagtäglich auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein“, damit es für sie vorbei ist mit dem Leben in Würde. Oder sie finden es würdelos, „nicht mehr alleine Einkaufen gehen zu können“ oder sich gar von anderen Menschen „den Hintern abwischen zu lassen“. So oder ähnlich liest und hört man es alltäglich in den Online-Kommentaren und Talkshows der Republik. Mich lässt diese Vorstellung von Würde immer mit einem Kopfschütteln zurück. Als Rollstuhlfahrerin bin ich immer wieder „auf die Hilfe anderer angewiesen“ und fühle mich deshalb alles andere als entwürdigt. Für andere ein Symbol des Scheiterns, in dem man „landen“ könnte, bedeutet mein Rollstuhl für mich ein Stück Freiheit. Durch ihn komme ich überall hin – fast überall, so lange es Fahrstühle und Rampen gibt. Weiterlesen
Kommentar in der taz, 19.11.2015
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